Histoire d’O / par Pauline
Réage. Précédé de « Le bon- heur dans l’esclavage », par Jean Paulhan, Sceaux :
J.-J. Pauvert, 1954.
Dictionnaire de la langue française / par Emile Littré, Paris : J.-J. Pauvert, 1956-1958.
Sade. Français, encore un effort, extrait de « la Philo- sophie dans le boudoir ». Précédé de « L'Inconvenance majeure », par Maurice Blanchot, [Paris,] : J.-J. Pau- vert, 1965.
Auf der 69. Vollversammlung der Vereinten Nationen war Obama nicht der einzige Redner — auch wenn das die so- genannte deutsche Qualitätspresse suggerieren möchte. Obgleich in gespannter Erwartung, lässt sie sich mit einer literarischen Anspielung abspeisen. Joseph Conrads Heart of darkness ist vielen Feuilletonisten ein Begriff, weil sie gehört haben, dass der tolle Vietnamfilm Apocalypse Now irgendetwas damit zu tun haben soll. Das „unfassbar Böse“ wird so „ein Stück weit“ greifbarer. Und natürlich war es eine Steilvorlage für crazy Überschriften. Das am nächsten Tag Hassan Ruhani sprach, ging dabei völlig unter. Wollte man wissen, welche Haltung der Präsident der Islamischen Republik Iran zum Daesch-Terror hat, musste man auf die Internetpräsenzen israelischer Zeitschriften zurückgreifen, die sehr schnell eine englische Übersetzung von Ruhanis Rede zugänglich machten.
Statt einer Analyse der Rede
Ruhanis wird Hobbyphiologie gebracht. In der Welt versucht sich
Matthias Heine an Be- griffsgeschichte. Sein „ABC des Islamischen Staats“
ent- puppt sich jedoch sehr schnell als stümperhaftes Referat Voltaire’schen Mohammedbashings. (So tödlich falsch er lag, mit einem hatte Chairman Mao recht: „No investiga- tion, no right
to speak!“). Halten wir uns lieber an Hassan Ruhani, der 1999 im
fortgeschrittenen Alter von fünfzig Jahren an der Glasgow Caledonian University
unter sei- nem bürgerlichen Namen Hassan Feridon mit der Arbeit The Flexibility
of SHARIAH (Islamic Law) with reference to the Iranian experience den PhD
erwarb. Anders als so manchen deutschen Unionspolitiker wird man den irani- schen
Hodschatoleslam auf den Inhalt seiner Dissertation festnageln können.
Die Tage sind gezählt. Diese Woche soll ein Buch erschei- nen, mit dem ein vor fast zwei Jahrzehnten begonnenes Projekt abgeschlossen wird: Der zweite Teil des vierten Bandes von Giorgio Agambens Werkzyklus Homo sacer wird auch sein letzter sein. Auf einem Ausschnitt von Tizians Bacchanal der Andrier, das um 1520 für Alfonso d’Este gemalt wurde und heute im Prado hängt, steht in Weiß der Name des Autors und der Titel: L’uso dei corpi. „Der Gebrauch der Körper“ beschließt, was 1995 mit ei- nem noch nicht nummerierten Buch begann: dem bald berühmten Homo sacer. Es war ein langer Weg von „der souveränen Macht und dem nackten Leben“ — wie seiner- zeit der Untertitel lautete — zum „Körpergebrauch“, den sechs weitere Teilbände säumen, oder — glaubt man der Ankündigung Neri Pozzas, des Verlags bei dem der letzte Teilband erscheint — sogar sieben. „Nach den acht vor- ausgegangenen archäologischen Untersuchungen werden hier die Ideen und Begriffe, von denen sich die analytische Durchdringung unerforschten Gebiets leiten ließ, benannt und ausgearbeitet.“
Auch wenn Toni Negri in seiner am 24. Februar 2012 in il Manifesto erschienenen Besprechung von Opus Dei (Homo sacer II,5) von einer „kapriziösen und irreführenden Spie- lerei der Nummerierung“ spricht, ist sie womöglich — wie bei Friedrich Kittlers Musik und Mathematik und Rainald Goetz’ gesamtem Textkorpus — mehr als das, nämlich der Grundriss eines Werkes, der bekanntlich erst sichtbar wird, wenn das Gebäude niederbrennt. Zählen wir also noch ein- mal durch:
[I] Homo sacer II,1 Ausnahmezustand II,2 Herrschaft und Herrlichkeit II,3 Das Sakrament der Sprache [II,4] II,5 Opus Dei III Was von Auschwitz bleibt IV,1 Höchste Armut IV,2 Der Gebrauch der Körper
Offiziell gibt es Homo sacer II,4 nicht, d.h. es gehen dem letzten Band nicht — wie in der Ankündigung behauptet — acht, sondern lediglich sieben „Untersuchungen“ voraus. Die Mitte des Werkes bliebe also leer. Doch vielleicht ist eines der Bücher, die Agamben seit 1995 neben den Homo- sacer-Bänden veröffentlicht hat, die Apokryphe, die diese Leere füllt: die Noten zur Politik Mittel ohne Zweck (1996), das Paulus-Buch Die Zeit, die bleibt (2000), das dem Tier- Mensch-Verhältnis gewidmete Das Offene (2002), die Me- thodologie Signatura rerum (2008), die Essaysammlungen Profanierungen (2005) und Nacktheiten (2009) wohl eher nicht. Darüber wird man länger nachdenken können.