Nach Jahren, die wir lesend,
schreibend und studierend
verbracht haben, kann es geschehen, dass wir uns unse-
rer eigenen Vorgehensweise im Denken und Forschen be-
wusst werden. In meinem Fall besteht sie darin, im Werk
der Autoren, die ich
mag, das zu finden, was Feuerbach
„Entwicklungsfähigkeit“ nannte. Das genuin philosophi-
sche
Element eines Werkes — sei es ein Werk der Kunst,
der Wissenschaft oder des
Denkens — ist seine Entfalt-
barkeit, etwas ungesagt Gebliebenes oder bewusst
nicht
Gesagtes, das es zu entdecken und aufzunehmen gilt.
Was fasziniert mich an
der Suche nach dem entwicklungs-
fähigen Element? Dass man bei konsequenter
Befolgung
dieses methodischen Prinzips zwangsläufig an einen Punkt
gelangt, an
welchem das, was uns und das, was dem Au-
tor, den wir lesen, zuzuschlagen ist,
ununterscheidbar
werden. Bis in diese unpersönliche Indifferenzzone, in der
Eigennamen, Urheberrechte und Originalitätsansprüche
ihre Geltung verlieren, vorgedrungen
zu sein, erfüllt mich
mit Freude.
Giorgio Agamben, „Was ist der Schöpfungsakt?“, in: ders.,
Die Erzählung und das Feuer, S. 37-57, hier: S. 38.
Dienstag, 26. März 2019
Qu’est-ce que l’acte de création?
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