Marcion verkündigte „Gott konsequent und ausschließlich als
den guten Erlöser, zugleich aber als den Unbekannten und als
den Fremden. Unbekannt ist er, weil er in keinem Sinn an der
Welt und an dem Menschen erkannt werden kann; fremd ist er,
weil ihn schlechterdings kein naturhaftes Band und keine Ver-
pflichtung mit der Welt und dem Menschen verbindet, auch
nicht mit seinem Geiste. Als ein in jedem Sinn fremder Gast
und fremder Herr tritt dieser Gott in die Welt ein.“
„Religion ist Erlösung – der Zeiger der Religionsgeschichte stand
im 1. und 2. Jahrhundert an dieser Stelle; niemand konnte mehr
ein Gott sein, der nicht ein Heiland war. In wundervoller Weise
kam die neue christliche Religion dieser Erkenntnis entgegen,
und der Apostel Paulus hat sie bereits so gestaltet, daß er Chris-
tus als Erlöser zum Mittelpunkte der gesamten christlichen Ver-
kündigung machte. […] Und neben Paulus standen zahlreiche
Lehrer, die an der Aufgabe arbeiteten, den christlichen Gottes-
begriff nach dem Heiland Christus zu erfassen und zu bestimmen.
Auch auf dieser Linie steht Marcion; aber auch auf ihr ist er bis
zur äußersten Konsequenz fortgeschritten. Neben der Erlösung
darf schlechthin nichts stehen; sie ist etwas so Großes, so Erhabe-
nes, so Unvergleichliches, daß der, der sie hat und bringt, nichts
anderes sein kann als eben der Erlöser. Der christliche Gottesbe-
griff muß daher ausschließlich und völlig restlos nach der Erlösung
durch Christus festgestellt werden. Also kann und darf Gott nichts
anderes sein als das Gute im Sinne der barmherzigen und erlösen-
den Liebe. Alles übrige ist streng auszuscheiden: Gott ist nicht der
Schöpfer, nicht der Gesetzgeber, nicht der Richter, er zürnt und
straft auch nicht, sondern er ist ausschließlich die verkörperte, er-
lösende und beseligende Liebe.“
NICHT KEHREN DIE MENSCHEN DURCH DIE ERLÖSUNG IN IHR VATER-
HAUS ZURÜCK, SONDERN EINE HERRLICHE FREMDE IST AUFGETAN
UND WIRD IHNEN ZUR HEIMAT.