Sonntag, 9. Februar 2014

ΣΚΙΑΣ ΟΝΑΡ


















Auf einem der schönsten Grabsteine, die auf einem der
bedeutendsten und zugleich schönsten Friedhöfe Berlins
stehen, ist zu lesen, die Menschen seien „eines Schattens
Traum“. Das (leicht abgewandelte) Pindar-Zitat ziert das
Grab August Methusalem Georg Büchmanns, eines preu-
ßischen Philologen, der in den unzähligen (aktualisierten)
Neuauflagen seiner Geflügelten Worte fortlebt. Augen-
scheinlich wurde auch sein Grabstein irgendwann aktua-
lisiert. Kaum einen Steinwurf entfernt fand Heidi Paris
ihre letzte Ruhestätte.

 
















Nach ihrem in der Nacht vom 10. auf den 11. September
2002 bewusst herbeigeführten Tod fand sich kein Abschieds-
brief. Tage später entdeckte man einen Zettel, der mit ei-
ner Reißzwecke neben Asiarestaurantkarten an einem Regal
befestigt war: „Die Lücke, die wir hinterlassen, ersetzt uns
vollkommen.“ Ein kryptischer Abschied. Im heutigen Nach-
ruf auf Peter Gente, den Sabine Vogel für die Berliner Zei-
tung geschrieben hat, taucht er wieder auf. Ihm ist zu ent-
nehmen, dass seine Autorin November letzten Jahres den
Verleger a. D. in Chiang Mai besucht hat:

„Die Erlöse würden noch etwa drei Jahre reichen, dann wä-
re er bald 81, das wäre genug und er würde sich aus dem
Fenster stürzen, Selbstmord sei immer eine Option gewesen.
Das erzählte Peter Gente […], als wir beim Franzosen auf
der Gasse nahe seines schönen Exils ein Glas Rotwein tran-
ken: DIE LÜCKE, DIE WIR HINTERLASSEN, ERSETZT UNS VOLL-
KOMMEN.“

Wie es heißt, soll Gentes Leichnam in Thailand eingeäschert
und die Asche neben Heidi Paris beerdigt werden. Requiescat
in pace.

PS. Zum 100. Geburtstag von Carl Heinz Schroth am 27. Juni
2002 strahlte 3sat um 22.25 Uhr einen Film aus, der dem „Ko-
mödiant[en], der leise Selbstironie mit verschmitztem Humor
und hintergründigem Charme zu verbinden wusste“ und „mit
seiner Schauspielkunst die Herzen eines Millionenpublikums
[erreichte]“, gewidmet war. Sein Titel: „Die Lücke, die wir
hinterlassen, ersetzt uns vollkommen“.