Montag, 17. Juli 2017
Anno mirabile
Als vorgestern Robert Stockhammers jüngst bei Fink er-
schienenes 1967. Pop, Grammatologie und Politik in der
Post war, galt mein erster Blick dem Personen-, Gruppen-
und Markennamenregister. Etwas enttäuscht musste ich
zur Kenntnis nehmen, dass Kolle, Oswalt auf Kluge, Alex-
ander folgte. Denn im Sommer 1967 sprachen im Audimax
der FU Berlin nicht nur Adorno über den Klassizismus von
Goethes Iphigenie und Marcuse über das Ende der Utopie,
sondern auch Alexandre Kojève. Sein Vortrag trug den Ti-
tel Was ist Dialektik? und begann wie folgt: „Vor einiger
Zeit war es große Mode über Dialektik zu sprechen; heut-
zutage spricht man lieber über Strukturen.“
Im fonds Kojève, der in der BnF aufbewahrt wird, befindet
sich ein Brief, den Traugott König — seinerzeit Jacob Tau-
bes’ Assistent — am 16.VI.1967 an den französischen Minis-
terialbeamten geschrieben hatte. Es ging um dessen anste-
henden Besuch in Westberlin. König bestätigte, dass er „ein
Hotelzimmer mit Bad“ im Berliner Hof, „einem sehr guten
Hotel in Grunewald“ reserviert habe: „Herr Taubes läßt noch
fragen, ob Sie wohl Ihr Manuskript der Geschichte der Philo-
sophie (Antike) mitbringen könnten, weil die Fotocopie, die
schon einmal gemacht wurde, nicht gelungen ist.“ Im folgen-
den, letzten Absatz des Briefes ging König auch auf die Berli-
ner Ereignisse von Anfang Juni ein.
Die Universität in Berlin ist im Aufruhr, seit die Berliner Po-
lizei bei den Demonstrationen gegen den Schah viele Studen-
ten mißhandelt und einen erschossen hat. Ich schicke Ihnen
zwei Berichte darüber, damit Sie wissen, in welche Situation
Sie in Berlin hineinsprechen werden.