Mittwoch, 25. Oktober 2017

T wie Tennis


















Als letztes Jahr die deutsche Übersetzung von Laurent
Binets La septième fonction du langage erschien, froh-
lockte das „bürgerliche“ Feuilleton. Theoriefern oder,
wie es sich ausdrücken würde, „unverschwurbelt“, wie
es ist, war es hocherfreut, den Herren Philosophen, zu
deren Texten es beim besten Willen keinen Zugang fin-
de, endlich einmal auf die Pelle rücken zu können: zum
Beispiel Foucault beim Blowjob in der Schwulensauna.

Binets Plot ist schnell erzählt: Roland Barthes, der En-
de Februar 1980 vom Lieferwagen einer Wäscherei an-
gefahren wurde und wenig später starb, war nicht das
Opfer eines Unfalls, sondern eines vorsätzlichen Mordes.
Deshalb ermittelt Kommissar Jacques Bayard, beraten
von Vincennes-Dozent Simon Herzog, im intellektuellen
Milieu: Befragt wird auch Gilles Deleuze, den BHL belas-
tet hat.

Simon Herzog ist begeistert, den großen Philosophen zu
Hause besuchen zu dürfen, zwischen seinen Büchern, in
seiner Wohnung, wo es nach Philosophie und kaltem Zi-
garettenrauch riecht. Der Fernseher läuft, ein Tennis-
spiel, Simon registriert eine Fülle von Büchern über Leib-
niz, die überall verstreut liegen. Man hört das Ploppen
der Bälle, es spielen Connors und Nastase.

Tatsächlich trafen die beiden am 31. März 1980, fünf Ta-
ge nachdem Barthes seinen Verletzungen erlegen war, 
bei den Monte Carlo Masters, einem Sandplatzturnier mit
zwei Gewinnsätzen, aufeinander: Connors konnte die Par-
tie mit 6-4, 6-2 klar für sich entscheiden.       
 

Donnerstag, 19. Oktober 2017

Schöne gelbe Farbe


















Wer das 35 Jahre alte Original kennt, wird bemerkt haben,
dass Denis Villeneuves Fortsetzung Blade Runner 2049 sich
vor allem in den Farbwerten unterscheidet. Die in Scotts
Version vorherrschende kühle Blau-Rosa-Farbigkeit wird ins
Güldene erweitert. „The yellow“, wie Villeneuve schon im
Juli erklärte, „is something I can’t talk about, but… it’s a
very important color“. Wofür steht die gelbe Farbe? Es be-
ginnt ganz unscheinbar. KD6.3-7, kurz K findet an einem
toten Baum ein ausgerupftes Pflänzchen, Blüte, Stiel, Blät-
ter, Wurzel, alles dran. Behutsam packt er sie in eine Be-
weismaterialplastiktüte. Ich dachte unwillkürlich an Cha-
misso, die Weltumseglung auf der Rurik und die emblema-
tische Pflanze Kaliforniens: California Poppy oder Eschschol-
(t)zia californica. Johann Friedrich Eschscholtz war Schiffs-
arzt nicht nur auf dieser Expedition, sondern einer zweiten.
Dieser verdankt ein Archipel seinen Namen: die Eschscholtz-
inseln. Eine von ihnen ist das Bikini-Atoll. Am 25. Juni 1956
explodierte dort Dakota im Rahmen der Operation Redwing.


















Wer sich ein wenig für ernstzunehmende deutsche Geistes-
und Kulturwissenschaften interessiert, wird bemerkt haben,
dass der Titel dieses Posts geklaut ist. Schöne gelbe Farbe.
Godard mit Deleuze heißt ein Aufsatz von Joseph Vogl, der
vor gut zwanzig Jahren in einem Sammelband zur Philoso-
phie Gilles Deleuze’ erschienen ist. Vogl, der vor zwei Wo-
chen seinen sechzigsten Geburtstag feiern konnte, zitiert,
vom gusto filologico durchdrungen, mit seinem Titel ledig-
lich Fritz Langs Worte, die dieser in Le Mépris beim Anblick
Francesca Vaninis (Giorgia Moll) im gelben Bademantel vor
einer Außenwand der Villa Malaparte auf Capri sagt: „Schö-
ne gelbe Farbe“. Natürlich bedankt sich die polyglotte Fran-
cesca für dieses Kompliment auf Deutsch: „Danke!“