Donnerstag, 11. September 2008

Pet Obedience School


"Der Kirchenlehrer Hieronymus [...] war in alle dogmatischen
Händel um die Wende zum 5. Jahrhundert verwickelt. Obwohl
er Rhetorik studiert hatte, zog ihn sein asketischer Eifer immer
wieder in die Wüste zu längerem Schweigen. Allerdings kehrte
er regelmäßig mit Geschriebenem in großer Menge zurück. Diese
Besonderheit seiner asketischen Strenge hat ihre Bildhaftigkeit
in der Konfiguration des »Hieronymus im Gehäus« gefunden: der
schreibende Eremit mit dem Wüstenlöwen als von Frömmigkeit
angestecktem Haustier." Mit diesen Worten beginnt ein kurzer
Kommentar Hans Blumenbergs zu einer Stelle bei Ernst Jünger.
Im Sanduhrbuch hatte der einmal
, Dürers Kupferstich vor Augen,
die rhetorische Frage gestellt: "Wer möchte nicht teilhaben an
dieser Stille, inmitten der warmen hölzernen Täfelung, während
[...] vor dem Pult ein Löwe träumt, den man sich auch durch eine
Katze ersetzen kann?"


Blumenberg hatte sich über "die Harmlosigkeit des Löwen auf
Tafeln und Holzschnitten" schon immer geärgert. Dass Jünger
nun den Löwen durch einen "angeheimelten Feliden" ersetzt,
geht ihm jedoch entschieden zu weit. Ein gezähmtes Raubtier,
das die "Eremitagewache übernahm, damit der Theologe nicht
von Raubzeug gestört werde", würde Blumenberg ja noch gelten
lassen, doch eine Katze in der Studierstube, das riecht ihm zu
sehr nach "bürgerlicher Idylle". Eine genauere Betrachtung von
Antonello da Messinas Hieronymus, dessen Arbeitsplatz man nur
schwerlich als "bürgerliche Idylle" bezeichnen wird, zeigt aber,
dass auch
in vorbürgerlichen Zeiten das nutzlose Haustier bei
Gelehrten durchaus im Trend lag: zwar geistert der Wüstenlöwe
noch durch das Kirchenschiff, der Zugang zum Lese-Gestell bleibt
jedoch "angeheimelten Feliden" vorbehalten (siehe oben; für den
Löwen vgl. Was ist ein Gehäus? vom 13. August 2008).

PS. Besonders rätselhaft ist Blumenbergs Deutung des von Dürer
"neben den schlafenden Löwen gelegten ebenso schlafenden Haus-
hündchens". Daß der Erfinder der Metaphorologie dieses Hündchen
nicht, wie es mit Blick auf den Übersetzer Hieronymus nahe läge,
als Symbol der Treue interpretiert, sondern als unverzichtbaren
Bestandteil "einer bürgerlichen Idylle", ist nur schwer nachzuvoll-
ziehen. Selbst das gefügige Hündchen, das Carpaccio in die Zelle
des Augustinus setzt, hat ja mit "Bürgerlichkeit"
nichts zu tun. Es
repräsentiert vielmehr als nutzloses Haustier nichts anderes als
bedingungslose Regierbarkeit, ohne die es keine oikonomia Gottes
geben könnte.