Dienstag, 22. Juli 2008

Une invention sans avenir


Als im Vorführraum wieder die Lichter angehen, und Jerry
die Gelegenheit wahrnimmt, mit einer der Filmrollen als
Discobolo zu posieren, wird auch das Menetekel lesbar, das
im Herzen der Cinecittà vom blauen Grund der Wand weiß
absticht: Il cinema è un'invenzione senza avvenire. Der Satz
"Le cinéma est une invention sans avenir" stammt von Louis
Lumière und ist wahrhaft ein Menetekel. Wie bei Belsazars
Gastmahl wird ein Reich gewogen und für zu leicht befunden.
Diesmal trifft das Todesurteil das Höhlenreich des Kinos. Schon
früh von einem seiner Gründer verkündet, wird es 1963 in der
Cinecittà, in Kinepolis (was man mit Hauptstadt der Bewegung
übersetzen könnte) rechtskräftig. Seither sitzt das Kino in der
Todeszelle
.

Die Parteien sind zerstritten. Manche fordern die Begnadigung,
die Umwandlung in eine lebenslängliche Haftstrafe. Andere sind
der Überzeugung, dass es genügend neue Beweise gebe, um den
Prozess noch einmal ganz von vorne aufzurollen. Schließlich die
nekrophile Zunft der Philologen, die sich erwartungsgemäß dafür
ausspricht,
endlich das Urteil zu vollstrecken. Ihr Argument, dass
das
Dahinvegetieren des Kinos kein schöner Anblick sei, dass die
Vollstreckung ein Gnadenakt, eine Art
Sterbehilfe wäre, ist nicht
ganz ernst gemeint.
Und ihre Beteuerung, dass es auch für das
Kino ein Leben nach dem Tod gebe, ist sogar hinterhältig. Denn
für einen Film ist wohl keine größere Höllenqual denkbar, als in
alle Ewigkeit von nekrophilen Philologen, vor-und zurückgeblättert,
zerschnitten, transkribiert, korrigiert, d.h. wie ein Buch behandelt,
oder besser, geschändet zu werden.


Kleines, hör mal zu! Nimm mal den Quatsch, ich komm’ dann
gleich nach.