"Die Unthätigkeit (oisiveté), welche ich liebe, ist nicht die eines Faulenzers (fainéant), der mit übereinandergeschlagnen Armen, in gänzlicher Erstarrung (inaction totale) dasitzt, und eben so wenig denkt, als er thut. Es ist zugleich die eines Kindes, das immer in Bewegung ist, ohne etwas zu beschicken (pour ne rien faire), und die eines Schwätzers (radoteur), der mit seinen Gedanken umherschweift, indeß seine Arme ruhig bleiben. Ich mag gern mich mit Kleinigkeiten beschäftigen (j'aime à m'occuper à faire des riens), hundert Dinge anfangen, und kein einziges vollführen (achever), gehn und kommen, wie mir mein Kopf die Grille eingiebt, jeden Augenblick einen andern Entwurf machen (changer de projet), eine Fliege in allen ihren Beschäftigungen verfolgen, denken, wie ich einen Felsen ausgraben wollte, um zu sehn, was darunter liegt, ein Geschäft von zehn Jahren mit Eifer anfangen (entreprendre un travail de dix ans), und es ohne Reue nach zehn Minuten wieder aufgeben (abandonner), mit Einem Worte! den ganzen Tag hindurch ohne Ordnung und ohne Folge arbeiten (muser toute la journée sans ordre et san suite), und in allen Dingen nur der Grille des Augenblicks (caprice du moment) folgen." Zu den ergiebigsten Fundstellen der Archäologie der deutschen Übersetzungen des französischen Wortes désœuvrement zählen Rousseaus Bekenntnisse, in denen es sechsmal auftaucht. Die Confessions erschienen bekanntlich erst nach Rousseaus Tod: 1782 das erste bis sechste Buch, 1788 das siebte bis zwölfte. Sie wurden umgehend ins Deutsche übertragen. Noch im selben Jahr wie die französische Ausgabe erschien der erste Teil in Berlin bei Johann Friedrich Unger. Sowohl das Startkapital für dessen Verlag als auch die Übersetzung stammten von der Frau des Verlegers: Friederike Helene Unger. Den ebenfalls von Unger verlegten zweiten Band (Berlin 1790) hatte dann Adolph Freiherr Knigge ins Deutsche übertragen. Das vorangestellte Zitat findet sich im zwölften Buch. "Die Kräuterkunde, so wie ich sie immer betrachtet habe, und so wie sie anfieng zur Leidenschaft bey mir zu werden, war gerade ein Studium von so unthätiger Art (étude oiseuse), fähig die ganze Leere meiner müßigen Stunden (le vide de mes loisirs) auszufüllen, ohne darinn Raum für die Schwärmerey der Einbildungskraft (délire de l'imagination), noch für die Langeweile eines ganz geschäftlosen Lebens (ennui d'un désœuvrement total) zu lassen. Nachläßig in Wäldern und auf Wiesen herumirren (errer nonchalamment); ohne Bedacht (machinalement) dies und jenes aufnehmen, bald eine Blume, bald einen Zweig; es dem Ungefähr überlassen, meinem Hunger nach Kenntnissen Nahrung zu verschaffen (brouter mon foin presque au hasard); tausend- und wieder tausendmal dieselben Dinge beobachten, und immer mit gleichem Interesse, weil ich sie jedesmal wieder vergaß; das war das Mittel, eine Ewigkeit hinzubringen, ohne je einen Augenblick Langeweile haben zu können."