Dienstag, 4. Juni 2013

Der Hobbyfotograph


















Ehe es zu spät ist, wollen wir mit einer sogenannten Foto-
strecke daran erinnern, dass heute in fünf Jahren der 50.
Todestag des französischen Ministerialbeamten Alexandre
Kojève begangen werden wird. Der Nachruhm des 1902 in
Moskau geborenen, von Jaspers in Heidelberg promovierten
Philosophen geht vor allem darauf zurück, dass er im Paris
der 1930er Jahre vor angehenden Intellektuellen die Phä-
nomenologie Hegels kommentierend übersetzte. Sein Semi-
nar war laut Benjamin „der Ort […], an dem sich einige Sur-
realisten ihre Informationen über Dialektik geholt haben“.

Neben Bataille, Blanchot, Klossowski, Lacan und Queneau
gehörte aber auch der Volkswirtschaftler Robert Marjolin
zu Kojèves Hörern, der ihn nach dem 2. Weltkrieg ins Fi-
nanzministerium holte. Philosophie konnte er nur noch an
Sonntagen betreiben. Doch der zum Sonntagsphilosophen
degradierte hielt sich schadlos, indem er seine Dienstrei-
sen im Geiste des Tourismus absolvierte: 5000 am Ideal
der Postkarte orientierte Fotos enthält der von der BnF
verwahrte Nachlass Kojèves. Boris Groys hat 400 scannen
lassen und unter dem Titel After History: Alexandre Ko-
jève as a Photographer auf Weltreise geschickt.

Von Mai bis Juli 2012 war die Ausstellung im BAK, der ba-
sis voor actuele kunst in Utrecht, Lange Nieuwstraat 4 zu
sehen. Stefan Dornuf war da. Den Bericht seines Besuchs
veröffentlichte er unter dem Titel „Nach der Geschichte“
am 19. Juni in der NZZ. Dann reiste die Ausstellung nach
China, um im OCT Contemporary Art Terminal, in der En-
ping Road, Overseas Chinese Town, Nanshan District, Shen-
zhen gezeigt zu werden. Ab dem 17. Oktober war sie wieder
in Europa: Palais de Tokyo, 13, avenue du Président Wilson.
Im April 2013 wanderte sie in die USA, in die James Gallery
im Graduate Center der City University of New York (CUNY),
365 Fifth Avenue zwischen 34. und 35. Straße. Ob sie — wie
geplant — ihren Weg in das Moskauer Haus der Fotographie
finden wird? Wer weiß?

Seither kursieren einige Fotos (© Nina Kousnetzoff) im Netz,
von denen wir hier paar aufbereitet haben: die Rückseite
der Freitagsmoschee von Isfahan (1965), Bilder aus China,
Indien und Japan (1959), wie der Itsukushima-Schrein auf 
der Insel Miyajima in Hatsukaichi in der Präfektur Hiroshima,
der seit 1996 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. In seinem
Katalogtext The Photographer as the Sage schreibt Groys:
„The photographs that Kojève took during his travels reflect
his administrative view of the world combined with a certain
post-historical melancholy. On the surface of it, Kojève’s pho-
tography simply documents the travels that he undertook in
his role as political dignitary […]. However, one could argue
that Kojève’s photographic work is a continuation of his phi-
losophy by other means.“