Donnerstag, 20. Juni 2013

Hölderlin-Gedächtnis-Preis 2013


















„Was immer Rainald Goetz schreibt: es rockt. Der ‚angry
young man‘ der ‚Räuber‘ ebenso wie der späte ästhetische
Menschenerzieher Schiller hätten seine [sic!] helle Freude
an ihm gehabt“, so die Jury unter Vorsitz von Kunststaats-
sekretär Jürgen Walter. Wie die baden-württembergische
Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst
Theresia Bauer heute in Stuttgart erklärte, sei Goetz einer
der wenigen Schriftsteller, der — bereits 1989 — sowohl die
Fördergabe als nun auch den mit 25.000 Euro dotierten Eh-
renpreis des Schiller-Gedächtnis-Preises erhält.

In der Begründung der Jury heißt es, Rainald Goetz sei, was
es in der deutschen Literatur nur höchst selten gab und ge-
be: nämlich Kult. Er habe — lange bevor die „Pop-Literatur
aufgekommen sei — mit Rave bereits den ersten Techno-Ro-
man geschrieben. Zudem habe er in einer Zeit, als Bloggen
noch nicht Mode gewesen sei, mit Abfall für alle das Inter-
net literaturfähig gemacht. Zuletzt habe Rainald Goetz mit
seinem Roman Johann Holtrop die klarsichtigste Psychopa-
thologie der Wirtschaftswelt vorgelegt, die die deutsche Ge-
genwartsliteratur bislang hervorgebracht habe.

Zwei Wochen ist es her, dass die Freunde deutscher Sprache
und Dichtung auf den Boden literaturbetrieblicher Tatsachen
geholt wurden. Irrigerweise hatten sie der Jury des Büchner-
Preises die nötige Pietät unterstellt, mit der Wahl des Preis-
trägers auch den Namensgeber des Preises zu ehren. Immer-
hin jährt sich dessen Geburtstag im Oktober zum 200. Mal.
Und da wäre nur einer in Frage gekommen: Rainald Goetz. Es
sollte anders kommen. Die Wahl fiel auf eine paar Wochen vor
Goetz während der Schlacht von Điện Biên Phủ als Tochter ei-
nes Arztes geborene Schriftstellerin, die im selben Verlag un-
ter Vertrag steht: Sibylle Lewitscharoff.

Doch da hören die Gemeinsamkeiten auch schon auf. Während
sie ihre Frankfurter und Zürcher Poetikvorlesungen unter dem
Titel Vom Guten, Wahren und Schönen veröffentlicht hat, lau-
tete der Titel von Goetz’ Antrittsvorlesung der Heiner Müller-
Gastprofessur für deutschsprachige Poetik: leben und schreiben.
der existenzauftrag der schrift. Und jetzt bestraft man Goetz
mit dem Schiller-Gedächtnis-Preis und begründet das Urteil mit
übelster Idiotenprosa. Es gibt nur einen Weg, diesen Justizirrtum
wieder gutzumachen: die Umbenennung. Der Schiller-Gedächtnis-
Preis heiße fortan Hölderlin-Gedächtnis-Preis, der Büchner-Preis 
rückwirkend ab 2007, oder besser noch ab 1965 Peinsack-Preis.
Die Rückgabe ist — wie man seit 1999 weiß — jedem freigestellt.